Der Blog zur nordischen Mythologie und den Wikingern

Tiere der Wikinger: Robbe

Zwischen schäumenden Wellen, eisigen Fjorden und felsigen Küsten war die Robbe ein vertrauter Anblick in der Welt der Wikinger. Diese geschmeidigen Meeresbewohner gehörten zu den faszinierendsten Tieren des Nordens – klug, anmutig und lebensnotwendig zugleich. Für die Menschen des Nordens war die Robbe nicht nur eine wertvolle Ressource für Nahrung, Fell und Öl, sondern auch ein mythisches Wesen, das in Sagen, Liedern und Glaubensvorstellungen eine tiefe symbolische Bedeutung trug. In den nordischen Kulturen galt die Robbe als Grenzgängerin zwischen den Welten – zwischen Meer und Land, zwischen Wildheit und Sanftmut, zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen. Sie verkörperte jene Dualität, die auch das Leben der Wikinger bestimmte: die ständige Bewegung zwischen Gefahr und Überleben, zwischen Natur und Kultur, zwischen Mensch und Götterwelt.

Tiere der Wikinger: Robbe

Die Robbe im Alltag der Wikinger

Für die Wikinger war die Robbe eine der wichtigsten Ressourcen des Nordens. Besonders an den Küsten Norwegens, Islands, Grönlands und der Färöer gehörte die Robbenjagd zum festen Bestandteil des Überlebens. Schon früh im Jahr, wenn das Eis zu schmelzen begann, machten sich Jäger mit Booten und Speeren auf den Weg zu den Kolonien, wo sich die Tiere sonnten oder ihre Jungen aufzogen.

Das Robbenfleisch diente als nahrhafte Eiweißquelle – es konnte frisch verzehrt, gepökelt oder getrocknet werden. Besonders in den nördlichen Regionen, wo Ackerbau kaum möglich war, war es eine überlebenswichtige Ergänzung zur Fisch- und Fleischversorgung. Das Fett der Tiere wurde zu Öl verarbeitet, das Lampen speiste und zum Konservieren oder als Heilmittel genutzt wurde. Das Fell war wegen seiner Dichte und Wärme geschätzt und wurde sowohl als Kleidung als auch als Tauschware verwendet.

In einigen Fundstätten – etwa in Haithabu, Birka und auf den Lofoten – fand man Robbenknochen und Reste von Fellen, die belegen, dass diese Tiere Teil des Handelsnetzwerks der Wikinger waren. Besonders Robbenhäute wurden exportiert und galten als Luxusgut, das bis nach Zentraleuropa und in den Ostseeraum gehandelt wurde.

Die Robbe war also Nahrungsmittel, Rohstoff und Handelsware zugleich – ein Symbol für den Reichtum und die Anpassungsfähigkeit der nordischen Gesellschaft.

Robbenjagd und Handwerk

Die Robbenjagd erforderte Geschick, Mut und genaue Kenntnis der Tiere. Jäger mussten wissen, wann die Robben an Land kamen, wie sie atmeten, wo sie ruhten. Man jagte mit Harpunen, Speeren oder Netzen, oft von Booten aus. Später wurden auch Armbrüste und spezialisierte Wurfgeräte verwendet, um die Tiere auf dem Eis zu treffen.

Die Verarbeitung der Tiere erfolgte direkt an der Küste. Das Fett wurde sorgfältig abgeschält und in großen Kesseln geschmolzen, um das wertvolle Tranöl zu gewinnen. Dieses Öl war von unschätzbarem Wert: Es diente zur Beleuchtung, als wasserabweisendes Mittel und wurde sogar für rituelle Zwecke verwendet – etwa zur Salbung von Werkzeugen oder Altaren.

Das Fell wurde mit Fischleim, Asche oder Pökellauge behandelt, um es geschmeidig zu machen. Aus Robbenleder entstanden Wasserschläuche, Handschuhe, Stiefel und Gurte, die selbst bei Nässe robust blieben. Die außergewöhnliche Qualität dieser Lederwaren machte sie zu begehrten Handelsgütern.

Besonders auf den norwegischen und isländischen Inseln galt die Robbe als Gabe der Götter – als Geschenk des Meeres, das nur den Würdigen zuteilwurde. Daher behandelte man die Jagd mit Respekt und führte oft kleine Rituale durch, um den Geist des Tieres zu ehren.

Die Robbe in Mythologie und Glauben

In der nordischen Mythologie war die Robbe ein Wesen zwischen den Welten. Sie konnte an Land leben, aber ihr wahres Element war das Meer – jenes Reich, das Aegir, Ran und ihre Töchter beherrschten. Viele Sagen erzählen von Robben, die sich in Menschen verwandeln konnten, wenn sie ihre Haut ablegten. Diese Selkie-Geschichten – besonders in Island, Norwegen und Schottland verbreitet – sprechen von der tiefen Verbindung zwischen Mensch und Meer.

In diesen Legenden ist die Robbe ein Symbol für Sehnsucht, Freiheit und Transformation. Wer ihre Haut stiehlt, bindet sie an die Menschenwelt, doch ihr Herz bleibt immer dem Meer verhaftet. Solche Geschichten reflektieren die Vorstellung der Wikinger von der Seele (hamr), die zwischen verschiedenen Formen wechseln kann – Tier, Mensch, Geist.

Auch in der Magie des Seiðr wurde die Robbe mit Transformation und Schutz in Verbindung gebracht. Man glaubte, ihre Haut könne Schutz vor Kälte und Zaubern bieten. Einige Völvas sollen Robbenfelle getragen haben, um die Kraft des Meeresgeistes in ihre Rituale einzubinden.

In dieser Hinsicht war die Robbe nicht nur ein Tier, sondern ein spirituelles Wesen, das die Essenz des Nordens verkörperte: Anpassungsfähigkeit, Stärke und das Leben in Bewegung.

Symbolik der Robbe

Die Robbe symbolisiert in der nordischen Kultur Weisheit, Wandelbarkeit und Harmonie mit der Natur. Sie bewegt sich lautlos zwischen zwei Welten und lehrt den Menschen, flexibel zu bleiben und sich den Gezeiten des Lebens anzupassen.

In spiritueller Hinsicht steht die Robbe für Intuition, emotionale Tiefe und Schutz. Ihre enge Bindung zum Wasser – dem Element der Emotionen und der Unterwelt – macht sie zu einem Tiergeist, der den Zugang zum Unterbewussten öffnet. In nordischer Symbolik wurde die Robbe manchmal als Begleiterin der Meeresgöttin Ran oder als Tier der Göttin Nerthus gesehen, da sie die fruchtbaren Kräfte des Wassers verkörpert.

Als Totemtier galt sie als Bote zwischen den Reichen, ein Symbol des Übergangs. In der Meditation und in der modernen nordischen Spiritualität wird sie mit innerer Ruhe, Anpassungsfähigkeit und emotionaler Heilung assoziiert – eine Botschafterin des Gleichgewichts zwischen dem Wilden und dem Friedvollen.

Archäologische und kulturelle Belege

Die archäologischen Spuren bestätigen die enge Beziehung der Wikinger zur Robbe. In zahlreichen Küstensiedlungen – etwa in Haithabu (Deutschland), Borg (Lofoten), Ribe (Dänemark) und Birka (Schweden) – fand man Robbenknochen, Fettspuren und Werkzeuge zur Fellverarbeitung. Diese Funde belegen, dass die Robbe ein regelmäßiger Bestandteil des Lebens war – nicht nur als Nahrung, sondern auch als Handelsware und rituelles Symbol.

Besonders auf den Färöer-Inseln und Island hat sich die Robbenjagd bis in die Neuzeit erhalten. Alte Lieder und Arbeitsgesänge, sogenannte sjómannavísur, erwähnen die Robbe als „Freund des Fischers“ und „Kind des Meeres“. Ihre Jagd war mit Gebeten und Opfern verbunden – eine Bitte um Erlaubnis, das Tier zu nehmen, ohne den Zorn der Götter zu wecken.

Auch künstlerisch fand die Robbe ihren Platz: Auf Runensteinen, Schmuckstücken und Textilien tauchen Darstellungen von Meerestieren auf, die Robben ähneln. In den kunstvollen Reliefs der Gotländer Bildsteine lässt sich die Verehrung der Meerestiere, insbesondere der Robbe, als Symbol der Fruchtbarkeit und des Übergangs erkennen.

Die Robbe in der modernen Interpretation

Heute wird die Robbe nicht mehr gejagt, sondern geschützt – doch ihre symbolische Bedeutung lebt fort. In der modernen nordischen Spiritualität gilt sie als Tiergeist des Meeres, als Führerin zu innerer Klarheit und als Symbol für Anpassung und Heilung.

Für viele Nachfahren der alten nordischen Völker, besonders in Island und Norwegen, ist die Robbe ein heiliges Tier, das an die enge Beziehung zwischen Mensch und Natur erinnert. In Reenactments, Kunst und Musik wird sie oft dargestellt – als Wächterin der Küsten und als Sinnbild für die Balance zwischen Mensch und Meer.

Zusammenfassung zum nordischen Tier Robbe

Die Robbe war für die Wikinger mehr als ein Tier – sie war Lebensquelle, Symbol und Mythos zugleich. In ihrer fließenden Bewegung zwischen Wasser und Land verkörpert sie den Geist der nordischen Welt: die Harmonie von Natur und Mensch, die Kraft des Meeres und die Weisheit des Überlebens. Ob als Nahrung, Handelsgut oder spirituelles Symbol – die Robbe war ein Spiegel der nordischen Seele: ruhig, kraftvoll und geheimnisvoll. Bis heute erinnert sie uns daran, dass wahre Stärke nicht in Dominanz, sondern in Anpassung liegt – in der Fähigkeit, mit den Wellen zu gehen, statt gegen sie anzuschwimmen.


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