Unter den zahlreichen Kindern Odins nimmt Váli eine besondere Rolle ein. Er ist der Gott der Rache und der Wiederherstellung von Ordnung, geboren einzig zu dem Zweck, den Tod seines Bruders Baldr zu rächen. Während viele Asen mit Weisheit, Krieg oder Fruchtbarkeit verbunden sind, verkörpert Váli die unerbittliche Seite des Schicksals: den Ausgleich von Unrecht, die Vollstreckung göttlicher Gerechtigkeit und die Bindung an das unausweichliche Gesetz des Ragnarök. Obwohl er in den Quellen vergleichsweise selten erwähnt wird, ist seine Funktion zentral, denn er verkörpert die Macht der Vergeltung in der nordischen Götterwelt.
Der Name Váli wird meist mit „der Auserwählte“ oder „der Kämpfer“ übersetzt, lässt sich aber auch im Sinne von „der Starke“ oder „der Standhafte“ deuten. Diese Bedeutungen passen perfekt zu seiner mythischen Funktion. Er ist ein junger Gott, der unmittelbar nach seiner Geburt Stärke und Entschlossenheit zeigt. In ihm verkörpert sich der göttliche Wille, Unrecht nicht ungesühnt zu lassen. Sein Name steht somit für jene Kraft, die nach göttlichem Gesetz das Gleichgewicht wiederherstellt – durch Tat und Schwert.
Die bekannteste Erzählung über Váli findet sich in der Prosa-Edda von Snorri Sturluson und in der Völuspá. Dort heißt es, dass Odin Váli mit der Riesin Rindr zeugte, einzig zu dem Zweck, Baldrs Tod zu rächen. Nachdem Loki durch List Höðr dazu brachte, den unschuldigen Baldr zu töten, war es Váli, der geboren wurde, um dieses Unrecht zu sühnen.
Besonders eindrucksvoll ist die Schilderung, dass Váli bereits am ersten Tag seiner Geburt heranwuchs und innerhalb weniger Stunden kampfbereit war. Noch bevor er sein Haar oder seine Nägel schnitt, suchte er seinen Bruder Höðr auf und erschlug ihn, um Baldrs Tod zu vergelten. Damit erfüllte er seine mythische Bestimmung – er war die Verkörperung göttlicher Rache.
Neben dieser zentralen Erzählung wird Váli auch als einer der wenigen Götter genannt, die das Ragnarök überleben und in der neuen Welt eine Rolle spielen. Zusammen mit seinem Bruder Vidar gilt er als einer der Erben der göttlichen Ordnung, die das Leben nach der großen Zerstörung weiterführen.
Direkte Belege für einen Kult um Váli sind spärlich. Anders als Odin, Thor oder Freyr, die klar im Alltag der Wikinger verehrt wurden, tritt Váli vor allem in den mythischen Erzählungen auf. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass er in rituellen Kontexten der Rache und der Blutsühne angerufen wurde. In einer Gesellschaft, die von Ehre, Blutrache und Ausgleich geprägt war, konnte die Figur Váli als göttlicher Archetyp gelten, der menschliches Handeln bestätigte und sanktionierte.
Möglicherweise spielte er auch in Übergangsriten eine Rolle, da seine Geburt und sein sofortiges Handeln ein mythisches Beispiel für das Heranwachsen in die Pflicht darstellten.
Váli steht für Vergeltung, Schicksal und Erneuerung. Er verkörpert die Kraft, die Unrecht ausgleicht, und damit das Prinzip der kosmischen Ordnung. Während Odin für Weisheit und Opferbereitschaft steht, Thor für Schutz und Stärke, repräsentiert Váli die Notwendigkeit, das Gesetz des Schicksals zu vollstrecken – auch wenn es grausam erscheint.
Dass er am ersten Tag seines Lebens erwachsen wurde, ist mehr als eine mythische Übertreibung: Es symbolisiert, dass das Schicksal nicht aufschiebbar ist. Váli ist der schnelle, unausweichliche Arm der Götter. Gleichzeitig deutet seine Rolle als Überlebender des Ragnarök an, dass er nicht nur zerstört, sondern auch Zukunft ermöglicht. Er rächt nicht nur, sondern steht auch für die Kontinuität des Lebens nach der Katastrophe.
Die Hauptquellen zu Váli finden sich in der Prosa-Edda und in der Völuspá der Lieder-Edda. Dort wird er klar als Sohn Odins und Rindrs genannt, dessen Schicksal es ist, Höðr zu erschlagen. In der Gylfaginning erwähnt Snorri Sturluson, dass Váli einer der Götter ist, die Ragnarök überleben.
Archäologische Belege für Váli sind nicht eindeutig. Es gibt keine bekannten Darstellungen, die ihm sicher zugeordnet werden können. Dennoch taucht in einigen Runeninschriften der Name „Wali“ oder „Vali“ auf, was eine Verbindung zur Gottheit nahelegen könnte. Auch mögliche Bildsteine, die Dreiergruppen von Göttern darstellen, wurden in der Forschung gelegentlich mit Váli in Verbindung gebracht, doch bleibt dies spekulativ.
In der heutigen Zeit erfährt Váli eine gewisse Wiederentdeckung. Während er in der populären Kultur kaum so präsent ist wie Odin oder Thor, greifen Neopaganismus und Ásatrú seine Gestalt wieder auf. Er wird dort oft als Symbol für Gerechtigkeit, Vergeltung und die Stärke der Jugend verstanden – als Gott, der sofort handelt, wenn es notwendig ist.
In der Literatur und in modernen Interpretationen wird Váli zudem als eine Art vergessener Held dargestellt, dessen stille, kompromisslose Tatkraft im Schatten seines berühmten Vaters Odin stand. Gerade diese Eigenschaft macht ihn für viele heute interessant: Er ist der Gott, der nicht zweifelt, sondern handelt.
Váli, der Sohn Odins und Rindrs, ist der Gott der Rache und der Wiederherstellung göttlicher Ordnung. Er wurde einzig geboren, um Baldrs Tod zu sühnen, und erfüllte dieses Schicksal noch am Tag seiner Geburt. Seine Symbolik reicht jedoch weiter: Er ist ein Gott des Schicksals, der Vergeltung und zugleich einer der wenigen, die Ragnarök überleben. Damit verkörpert er nicht nur das Prinzip der göttlichen Gerechtigkeit, sondern auch die Hoffnung auf Fortbestand und Neubeginn.
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