Der Blog zur nordischen Mythologie und den Wikingern

Berufe der Wikinger: Kräuterkundige

In einer Welt, in der das Meer den Lebensrhythmus vorgab und die Natur die größte Lehrmeisterin war, spielte das Wissen um Kräuter und Heilpflanzen eine zentrale Rolle. Die Kräuterkundigen der Wikinger – Männer und Frauen, die die Sprache der Pflanzen verstanden – waren die stillen Bewahrer eines Wissens, das über Generationen weitergegeben wurde. Sie waren Heiler, Seher, Bewahrer alter Magie – Menschen, die wussten, wie man mit einem Sud die Schmerzen lindert, mit einem Rauch die Geister besänftigt oder mit einem Öl den Körper reinigt. Zwischen Medizin und Magie, zwischen Heilkunst und Götterglauben bewegten sich die Kräuterkundigen auf einer Schwelle, die sowohl naturwissenschaftliches Verständnis als auch spirituelle Einsicht verlangte.

In der Gesellschaft der Wikinger genossen sie hohen Respekt. Ihre Kunst verband die körperliche Heilung mit dem Glauben an die unsichtbaren Kräfte der Welt. In einem Zeitalter ohne Ärzte, Apotheken oder Labore waren sie das Rückgrat der Gemeinschaft – weise, naturverbunden und tief verwurzelt in der nordischen Spiritualität.

Berufe der Wikinger: Kräuterkundige

Die Rolle des Kräuterkundigen in der Wikingerzeit

Kräuterkundige (altnordisch: lyfjamaðr oder lyfja kona, „Heilkundiger/Heilkundige“) standen zwischen den Welten von Alltag und Übernatürlichem. Ihre Aufgabe war es, Krankheiten zu heilen, Leiden zu lindern und die Verbindung zwischen Körper, Geist und Natur zu bewahren.

In jeder größeren Siedlung oder auf einem Gehöft gab es jemanden, der dieses Wissen besaß – sei es eine weise Frau (Völva), ein Heiler, oder ein erfahrener Krieger, der auf den Reisen Heilpflanzen sammelte. Oft waren sie zugleich Runenkenner, Trankmischer und spirituelle Begleiter.

Kräuterkundige verstanden, dass Krankheit nicht nur körperlichen Ursprungs war, sondern auch durch gestörte Harmonie zwischen Mensch, Umwelt und den Göttern entstehen konnte. Heilung bedeutete daher, das Gleichgewicht wiederherzustellen – nicht nur im Körper, sondern im ganzen Gefüge des Lebens.

Ihre Behandlungen kombinierten pflanzliche Heilmittel mit Ritualen, Gesängen (Galdr) und Runenmagie. Sie wussten, wann eine Pflanze gesammelt werden musste, bei welchem Mondstand, an welchem Ort und mit welchem Opfer.

Kräuter, Heilpflanzen und ihre Anwendungen

Die Wikinger lebten in engem Kontakt mit der Natur. Ihre Heilpflanzen wuchsen auf den Wiesen, in den Wäldern, an den Fjorden und in den Bergen. Kräuterkundige kannten die Wirkung jeder Pflanze und verwendeten sie gezielt – nicht nur für Wunden oder Krankheiten, sondern auch für Rituale und seelische Heilung.

  • Beifuß (Artemisia vulgaris) – galt als Schutzkraut gegen böse Geister und wurde in Rauchritualen verbrannt, um Orte und Menschen zu reinigen.

  • Baldrian (Valeriana officinalis) – wurde als Beruhigungsmittel bei Angst und Schlaflosigkeit eingesetzt.

  • Wacholder (Juniperus communis) – desinfizierte Wunden, schützte vor Krankheiten und wurde in Schutzritualen geräuchert.

  • Schafgarbe (Achillea millefolium) – ein bewährtes Wundkraut, das Blutungen stillte und Entzündungen linderte.

  • Thymian und Rosmarin – galten als kräftigende Kräuter, besonders für Krieger nach Schlachten.

  • Mistelkraut – symbolisierte Heilung und spirituelle Balance; es wurde bei Ritualen und in Tränken verwendet.

Diese Pflanzen wurden getrocknet, zu Pulvern, Salben oder Tees verarbeitet. In der Regel wurden sie mit Met, Essig oder Tierfett gemischt, um ihre Wirkung zu verstärken.

Der Umgang mit Kräutern war dabei nie rein technisch – er war ein Akt der Verehrung gegenüber der Natur, begleitet von Dank und Opfergaben. Du findest hier eine große Auswahl an Kräutern, die von den nordischen Völkern genutzt wurde.

Werkzeuge und Ausstattung eines Kräuterkundigen

Der Arbeitsplatz eines Kräuterkundigen war eine Mischung aus Labor, Tempel und Vorratskammer. Neben getrockneten Pflanzen fanden sich Mörser, Schalen, Messer, Tongefäße, kleine Beutel aus Leder und Knochenlöffel.

In manchen Grabfunden – besonders in den berühmten Gräbern von Oseberg (Norwegen) und Haithabu (Deutschland) – wurden Gegenstände entdeckt, die auf die Tätigkeit von Heilkundigen oder Seherinnen hinweisen:

  • Bronzelöffel, Pinzetten und Messer, die zur Herstellung von Salben und Tränken dienten.

  • Kräuterreste und Pollenanalysen, die auf Heilpflanzen wie Baldrian, Hanf und Wermut hinweisen.

  • Ritualstäbe und Runenstäbe, die vermutlich für magische Heilrituale genutzt wurden.

In manchen Fällen wurden die Heilutensilien zusammen mit Tierknochen, Stoffen oder Amuletten gefunden – Hinweise darauf, dass der Kräuterkundige nicht nur Heiler, sondern auch spiritueller Mittler war.

Heilkunst zwischen Medizin und Magie

In der nordischen Welt war Heilung untrennbar mit Magie verbunden. Der Körper galt als Teil eines größeren Ganzen, durchzogen von Kräften, die durch Worte, Zeichen und Rituale beeinflusst werden konnten.

Der Kräuterkundige sprach Runenformeln über seine Mischungen, sang Galdrar (magische Gesänge) oder ritzte Runenzeichen in Holz, Stein oder Metall, um die Wirkung zu verstärken. Besonders die Runen Laguz (Wasser, Heilung), Berkana (Geburt, Erneuerung) und Uruz (Kraft, Gesundheit) waren in der Heilkunst verbreitet.

Ein Heiler behandelte nicht nur den Körper, sondern auch das Schicksal. Viele Krankheiten wurden als Folge eines gebrochenen Schwurs, eines Zornes der Götter oder eines Fluchs verstanden. Entsprechend musste die Heilung auch spirituell vollzogen werden – durch Versöhnung, Reinigung oder Opfergaben.

Der Einsatz von Kräutern war daher sowohl medizinisch als auch rituell: Ein Trank konnte gegen Fieber wirken und gleichzeitig den Körper von bösen Einflüssen reinigen.

Archäologische Belege und historische Quellen

Unsere Kenntnisse über die Kräuterkundigen der Wikinger stammen aus archäologischen Funden, mittelalterlichen Handschriften und Sagas.

  • Im Oseberg-Grab (Norwegen), dem Grab zweier hochrangiger Frauen, wurden zahlreiche Kräuterreste, Holzgefäße und Stäbe gefunden, die auf rituelle und heilkundige Tätigkeiten hinweisen.

  • In Haithabu fand man eine Vielzahl an medizinisch nutzbaren Pflanzenresten – darunter Baldrian, Hanf und Thymian.

  • In Birka (Schweden) wurden kleine Beutel mit Pflanzen und metallenen Werkzeugen entdeckt, die auf Heilkunst hindeuten.

Auch schriftliche Quellen liefern wertvolle Hinweise: In der Edda und in den Sagas werden heilkundige Frauen mehrfach erwähnt – etwa in der Egilssaga, wo eine Frau einen verwundeten Krieger mit Heilkräutern und Gesängen behandelt.

Der angelsächsische „Leechbook of Bald“ (um 950 n. Chr.) – eine Sammlung frühmittelalterlicher Heilmittel – zeigt Parallelen zu nordischem Wissen: viele der dort genannten Pflanzen wie Beifuß, Schafgarbe oder Thymian waren auch im Norden bekannt und genutzt.

Diese Funde belegen, dass das Wissen der Kräuterkundigen nicht nur regional, sondern Teil eines weitreichenden Netzwerks frühmittelalterlicher Heilkunde war.

Die spirituelle Bedeutung des Kräuterkundigen

Der Kräuterkundige war nicht nur ein Heiler, sondern ein Mittler zwischen Mensch und Natur, zwischen Diesseits und Jenseits. Er verstand, dass in jeder Pflanze ein Geist wohnte, der geehrt werden musste, bevor man seine Kraft nutzte.

Viele Kräuter wurden unter bestimmten Bedingungen gesammelt:
– bei Sonnenaufgang, wenn der Tau noch auf den Blättern lag,
– bei Neumond, wenn man Reinigung suchte,
– oder mit einem Gebet an die Göttin Eir, die Asin der Heilkunst.

Diese Rituale zeigten den Respekt vor den natürlichen Kräften. Der Kräuterkundige war sich bewusst, dass Heilung kein Besitz war, sondern eine Gabe – etwas, das durch Demut und Verbundenheit mit der Natur erworben wurde.

Er verkörperte damit einen uralten Gedanken: Wahre Stärke liegt im Wissen um das Leben selbst.

Kräuterkundige in der modernen Spiritualität

In der heutigen Wiederentdeckung nordischer Spiritualität erfährt das Wissen der alten Kräuterkundigen eine Renaissance. Viele moderne Pflanzenheilkundige, Runenpraktiker und naturreligiöse Gruppen greifen auf überliefertes Wissen zurück, um die Verbindung zwischen Körper, Seele und Natur zu erneuern.

Der Kräuterkundige gilt dabei als Archetyp des „Weisen“ – jemand, der Heilung nicht aufzwingt, sondern begleitet; der den Kreislauf der Natur achtet und erkennt, dass jedes Blatt, jede Wurzel und jeder Stein Teil eines größeren Ganzen ist.

Zusammenfassung zum Beruf des Kräuterkundigen

Die Kräuterkundigen der Wikinger waren mehr als einfache Heiler. Sie waren Bewahrer uralten Wissens, Diener der Götter und Hüter des Gleichgewichts zwischen Mensch und Natur. In ihren Händen lag die Kunst, Leben zu retten – aber auch, die Welt zu verstehen. Ihre Heilkunde beruhte auf Beobachtung, Erfahrung und tiefer Ehrfurcht. Sie kannten die Sprache der Pflanzen, das Flüstern der Erde und die Zeichen der Götter. Ihr Wissen ist nicht verloren – es lebt fort, in alten Texten, archäologischen Spuren und in jenen, die auch heute die Wege der Natur gehen.


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