Die Farbe Orange, im Altnordischen als Appelsínugulur oder Rauðgult bezeichnet, gehörte zu den eher seltenen, aber besonders ausdrucksstarken Farbtönen der Wikingerzeit. Anders als Rot oder Blau, die sich relativ leicht aus heimischen Pflanzen gewinnen ließen, war Orange das Ergebnis geschickter Farbmischungen oder gezielter Nutzung seltener Pflanzen. Dadurch besaß die Farbe eine exklusive, auffällige Wirkung und war eng mit Symbolen wie Wärme, Lebensfreude und der Energie des Feuers verbunden. Orange nahm eine Zwischenstellung zwischen Gelb und Rot ein und trug die Bedeutung beider Grundfarben in sich – die Vitalität des Feuers und die Strahlkraft der Sonne.
Die Herstellung von orangenen Tönen in der Wikingerzeit erforderte besonderes Wissen in der Kunst des Färberhandwerks. Am gebräuchlichsten war die Kombination von Krappwurzel, die ein kräftiges Rot lieferte, und Färberpflanzen wie Reseda luteola oder Waid, die ein klares Gelb erzeugten. Durch mehrfaches Färben oder geschicktes Überlagern entstand ein warmer, orangeähnlicher Ton.
Daneben gab es auch Pflanzen, die direkt orangefarbene Nuancen hervorbringen konnten. Das Wiesen-Labkraut (Galium mollugo) ist ein gutes Beispiel: Seine Wurzeln konnten Farbstoffe liefern, die zwischen Gelb, Orange und Rot changierten. Auch bestimmte Beeren – wenn auch weniger farbstabil – hinterließen ein orangeähnliches Spektrum, das für kleinere Textilien oder Zierborten genutzt wurde. Gerade diese Farbnuancen waren jedoch vergänglich und wurden vermutlich vor allem für Festkleidung und dekorative Akzente eingesetzt.
In der symbolischen Welt der Wikinger stand Orange für Lebensfreude, Wärme und Vitalität. Es war die Farbe des Übergangs, eine Brücke zwischen dem reinen Rot des Blutes oder Feuers und dem strahlenden Gelb des Sonnenlichts. Orange verband die Hitze des Herdfeuers mit der Kraft der Ernte und trug damit sowohl eine häusliche als auch eine rituelle Dimension.
Orange konnte außerdem den Übergang zwischen Tag und Nacht symbolisieren – die Farbe des Sonnenuntergangs, in der Himmel und Feuer ineinander verschmelzen. So spiegelte sie die Vergänglichkeit und den Kreislauf der Natur wider: aus Hitze wird Licht, aus Licht wird Dunkel, und in allem bleibt die Wärme des Lebens bestehen.
Da Orange nur durch aufwendige Färbetechniken oder seltene Pflanzenstoffe erzielt werden konnte, war es keine alltägliche Kleidungsfarbe. Stattdessen wurde es bevorzugt für Zierborten, bestickte Abschlüsse oder festliche Gewänder genutzt. Gerade in Kombination mit anderen Farben wie Blau oder Grün wirkte Orange besonders kontrastreich und unterstrich den Reichtum und die soziale Stellung des Trägers.
Archäologische Textilfunde aus Orten wie Birka und Haithabu deuten darauf hin, dass Mehrfachfärbungen ein gängiges Verfahren waren, um differenzierte Farbtöne zu erzielen. Zwar sind direkte Nachweise für Orange seltener, doch das Vorkommen von Krapp- und Resedaresten in Färberwerkstätten legt nahe, dass orange Töne bewusst hergestellt und geschätzt wurden.
In der religiösen Symbolik konnte Orange eng mit Freyr, dem Gott der Fruchtbarkeit und der Ernte, verbunden sein. Seine Rolle als Herr des Wachstums und des Wohlstands spiegelt sich in der warmen, erdnahen Farbe wider. Ebenso konnte Orange mit Sól, der Sonnengöttin, in Verbindung gebracht werden, da es die Kraft der Sonne in ihrer wärmenden, lebensspendenden Form ausdrückte.
Darüber hinaus könnte Orange auch in Ritualen genutzt worden sein, die mit Feuer und Sonne zusammenhingen – etwa bei Festen zur Sommersonnenwende, wo das Spiel von Flammen und Licht durch textile Farben symbolisch nachgeahmt wurde. Damit war Orange nicht nur Schmuck, sondern auch ein magisches Medium der Transformation.
Die Farbe Orange war in der Wikingerzeit ein seltener, aber kraftvoller Farbton. Gewonnen aus der Mischung von Krapp und Gelbfärbern oder direkt aus Pflanzen wie dem Labkraut, symbolisierte sie Lebensfreude, Wärme und die Brücke zwischen Feuer und Sonne. Verwendet vor allem in Festkleidung, Zierborten und repräsentativen Textilien, spiegelte Orange sowohl soziale Stellung als auch spirituelle Bedeutung wider. Ihre Nähe zu den Göttern Freyr und Sól zeigt, dass Orange weit mehr war als ein dekorativer Ton – es war Ausdruck von Fruchtbarkeit, Ernte und der wärmenden Energie des Lebens selbst.
Jetzt vorbestellen!
Die Hávamál, Odins Weisheiten, Zitate und Verse, in deutscher Ausgabe inklusive moderner Interpretation seitens NorseStory. Sicher dir dein Exemplar der Erstauflage der Hávamál aus dem Verlag NorseStory.
Dir gefällt der Blog und der Verlag?
Dann unterstütze unsere Arbeit, Recherche und unser Projekt "NorseStory - auf den Spuren der Wikinger" gerne mit einer PayPal Spende. Jede Spende wird in den Verlag NorseStory investiert.
Ein paar weitere Leseempfehlungen für dich - oder wähle deine nächste Kategorie im Wikinger Blog:
Blog Übersicht | Wikinger Runen | Wikinger Götter | Wikinger Symbole | Wikinger Welten | Wikinger Tiere | Wikinger Begriffe | Wikinger Kräuter | Wikinger Feiertage | Wikinger Geschichten | Wikinger Personen | Wikinger Waffen | Wikinger Rituale | Wikinger Berufe | Wikinger Edelsteine | Wikinger Ereignisse | Wikinger Farben | Deutsche Burgen
Durchsuche den Wikinger Blog
Blog Kategorien
>> Blog Übersicht
>> Wikinger Runen
>> Wikinger Götter
>> Wikinger Symbole
>> Wikinger Welten
>> Wikinger Tiere
>> Wikinger Begriffe
>> Wikinger Kräuter
>> Wikinger Feiertage
>> Wikinger Geschichten
>> Wikinger Personen
>> Wikinger Waffen
>> Wikinger Rituale
>> Wikinger Berufe
>> Wikinger Edelsteine
>> Wikinger Ereignisse
>> Wikinger Farben
>> Deutsche Burgen
Produkte
Über NorseStory
Mehr von uns